aus Portugals Klöstern. Süßes Gebäck wie pastéis de nata hat in Lissabon eine lange Tradition. Die Rezepte mit enormen Mengen Eigelb und vielen Gewürzen stammen aus den Backstuben der Mönche. Einfach göttlich!
Das Leben in Portugal ist süß. Bestimmt süßer als anderswo, zuckersüß. Ein Blick in die Gebäckauslagen der Cafés in Lissabon genügt. Da liegen sie, die feinen pastéis de nata, die queijadas, queijinhos de ovos, fios de ovos, truxas de ovos, ovos moles und pão de ló. Süße Sünden, die sich jeden Tag frisch in erstaunlicher Vielfalt und Zahl in dem Vitrinenglas türmen. Egal wann man ins „Versailles“, „Nicola“ oder in die „Confeitaria Nacional de Balthazar Castanheiro“ geht - es herrscht immer Hochbetrieb.
Zuckerreiche Süßspeisen mit mehr Eigelb, als der Arzt gutheißt, sind nationales Laster und unverhohlene Leidenschaft. Ei heißt ‚Ovo’, weshalb das Wort auch so oft in den Namen der Naschereien erscheint. Die Konditoren fertigen daraus die köstlichsten Kalorienbomben, himmlische Törtchen und Desserts in aufwändiger Handarbeit. Dazu eine bica, Portugals Antwort auf den Espresso.
Wie in vielen Ländern Europas entwickelte sich auch in Portugal die Kochkunst an Fürstenhöfen. Und in Klöstern. Die Refugien der Kirche boten beste Bedingungen dafür, weil sie dank ihrer engen Verbindungen zu Krone und Adel über Gelder, Ländereien und daher über gut gefüllte Speisekammern verfügten. Bei den Ordensleute, gelangte die Zuckerbäckerei zur Perfektion – aus ganz praktischen Gründen: Die Nonnen benötigten enorme Mengen Eiweiß, weil sie die Kragen ihrer Tracht so stärkten. Die Mönche klärten damit den Wein. Das Gelbe vom Ei blieb übrig. Was lag da näher, als es in süße Gaumenträume zu verwandeln?
Himmelsspeck (toucinho do céu), Nonnenbäuche (barrigas de freiras), Engelsbäckchen (papos de anjos), Pasteten der Heiligen Klara (pastéis de Santa Clara) und die Himmlischen (Celestes) – im Laufe der Zeit hatten Zisterzienser, Klarissen oder Benediktiner eine Fülle von Rezepten entwickelt. Ihre Namen verraten bis heute die klösterliche Herkunft der süßen Sünden. Allein für eine Portion celestes werden 24 Eigelbe aufgeschlagen und mit 500 Gramm Zucker verrührt, Himmelsspeck gibt’s nicht unter zwanzig Eigelb und Nonnenbäuche bringen es auf zwölf.
Je nach Rezept kommen noch Mandeln, Feigen und Orangenblütenwasser hinzu – Zutaten, die Portugal seiner maurischen Vergangenheit verdankt. Die Pioniere aus dem Land im äußersten Südwesten Europas hatten außerdem Ende des 15. Jahrhunderts den Seeweg nach Indien und kurz darauf Brasilien entdeckt. Ganze Schiffsladungen mit indischem Zimt und brasilianischem Zucker wurden in Lissabon gelöscht, und die Mönche fingen an, mit den Zutaten zu experimentieren. Die Rezepte wurden mehr und mehr verfeinert. Der Ruhm der Doçaria Conventual wuchs ins Unermessliche. Auch die Rezeptur für die famosen pastéis de nata, ein Blätterteiggebäck mit einer Vanille-Sahnecreme-Füllung, soll aus jener Zeit stammen.
In den Mauern des Jerónimo-Klosters in Belém, das König Manuel I. 1500 zum Dank für die Eroberungen gestiftet hatte, sollen die Hieronymiten sie erdacht haben. Unweit vom Kloster stellt seit 1837 die königlich lizenzierte Produktionsstätte Antiga Fábrica de Belém die originalen pastéis de nata her. Das Rezept bleibt ein süßes Geheimnis der Mönche. Mehr als 10 000 Cremetörtchen verlassen jeden Tag die Backöfen, alle per Hand gefertigt und ganz zum Schluss mit Zimt bestäubt. Ihretwegen pilgern die Lissabonner extra nach Belém, verzehren die runden Wonneproppen im Café und nehmen ganze Schachteln mit nach Hause. Das Schöne an den Versuchungen ist ja schließlich, ihnen nachzugeben.
In vielen der traditionsreichen Lissabonner Cafés, confeitarias und pastelarias (Konditoreien), um die Jahrhundertwende Treffpunkte von Literaten, Künstlern und Intellektuellen, haben prächtige Holzvertäfelungen, Kristalllüster und Fliesenschmuck des Jugendstils trotz mancher Modernisierung überlebt. Unter dem munteren Geklapper, das die empregados ab der Espressomaschine mit Tellern, Tassen und Löffelchen anstellen, kommen die süßen Teilchen fast in Lichtgeschwindigkeit von der Vitrine auf die Tische – wendigere Kellner als in Lissabon dürften schwer zu finden sein.
Der Feinschmecker
© Beate Schümann
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